Mittwoch, 29. Oktober 2014

Happy New Year!

...Ihr habt richtig gehört; ich wünsche Euch allen ein frohes neues Jahr!
Aber keine Angst, ich habe mich weder um 64 Tage verrechnet, noch habe ich hier unten den Verstand verloren.
Wir schreiben wahrlich, seit der Nacht von Samstag auf Sonntag, ein neues Jahr; das Jahr 1436.
Ich erkläre es Euch.

Neben dem gregorianischen Kalender ist in den islamischen Ländern desweiteren der islamische Kalender in Gebrauch. Sein Name lässt sich mit den Worten "Kalender der Auswanderung" übersetzen, da als Ausgangspunkt, für die islamische Zeitrechnung, die Auswanderung des Propheten Muhammad von Mekka nach Medina am 16. Juli des Jahres 622 (n.Chr.) gilt.
Der islamische Kanlender orientiert sich nach dem Mond; er ist also ein reiner Mondkalender, welcher 12 Monate zählt. Daher ist er auch, je nach Mondphase, zehn oder elf Tage kürzer, als der uns bekannte Kalender. Jeder Monat beginnt, wenn die zarte Mondsichel nach Neumond erstmals sichtbar ist.
Die Namen der Monate lauten:
  • Muharram
  • Safar
  • Rabi- ul- Awwal
  • Rabi- ul- Achir
  • Dschumada al- Ula
  • Dschumada al- Uchra
  • Radschab
  • Sch'aban
  • Ramadan
  • Schawwal
  • Dhu- l- Qa'da
  • Dhu- l- Hiddscha
In welchem Monat befinde ich mich also?
Man sollte jedoch erwähnen, dass dieser Kalender überwiegend für religiöse Zwecke verwendet wird. Meinen marokkanischen Mitmenschen ist sehr wohl bewusst, dass wir uns im Jahr 2014 befinden;ihr könnt also aufatmen.

Zufälliger Weise habe ich dieses Wochenende und besagte Nacht mit meinen Mitfreiwilligen, wie es sich für eine Silvesrterparty gehört, in der Hauptstadt, Rabat, verbracht. Aber groß Party, Party war nicht angesagt. Leider wird dieser Jahreswechsel der besonderen Art und Weise absolut gar nicht gefeiert; man schreckt höchstens tagsüber von einzelnen Böllern auf, die die Kinder und Jugendlichen auf der Straße zünden. So verhielt es sich also, dass meine, vor Aufregung und Neugierde, strahlenden Augen um 00:00 Uhr recht schnell ihren Glanz verloren. Macht aber auch nichts, da wir trotz dieser Flaute einen sehr schönen Abend verbracht haben. Der Anlass unserer ersten Wiedervereinigung war nämlich Janas Geburtstag.

So viel zum Jahreswechsel 1435/ 1436. Sieht wohl ganz danach aus, dass ich dieses Jahr zwei mal Silvester haben werde; was ein verrücktes Jahr (und was für ein verwirrender Satz).



Bis bald wieder und liebe Grüße,
Belize


Internationale Runde: Marokko, Deutschland, und Mauretanien

Rabat



der Hahn in der Runde und meine liebe Mitbewohnerin


Samstag, 18. Oktober 2014

Bayti

Auch wenn ich hier schon Vieles erlebt habe und jeden Tag auf ein Neues in den Genuss neuer Erfahrungen kommen darf, bin ich doch nicht ausschließlich nur der Abenteuer und des Spaßes wegen hier in Marokko.
Nein, meine Lieben, ob Ihr es glaubt oder nicht, ich arbeite hier auch. Und meine Arbeitsstelle ist das Kinder- Tageszentrum "Bayti" in Essaouira.


Bayti, was arabisch ist und so viel wie "mein Haus" bedeutet, wurde 1995 als Nichtregierungsorganisation (NGO) gegründet und vier Jahre später auch als solche anerkannt. Im selben Jahr (1999) wurde auch die Zweigstelle hier in Essaouira gegründet. Bayti hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich um Kinder aus schwierigen Lebenssituationen (das Leben auf der Straße, Gewalt, wirtschaftliche oder sexuelle Ausbeutung oder intakte Familien) zu kümmern und sich für deren Rechte einzusetzen. Um dies umzusetzen, hat sich Bayti folgende Ziele gesetzt:
  • Vorbeugung, um sozialen Ausschluss, Gewalt und Ausnutzung zu vermeiden
  • Physischer, psychischer, juristischer und sozialer Schutz
  • schulische und familiäre Wiedereingliederung
  • Ausbildung und Arbeitseinstieg für Jugendliche
  • Förderung der Kinderrechte
Nun bin ich also schon fast zwei Monate am Arbeiten und werde Euch im Folgenden mal berichten, wie ein solcher Arbeitstag im Moment bei mir aussieht.
08:15h - der Wecker klingelt. Eigentlich total übertrieben, denn ich könnte locker auch um
              08:40h aufstehen, aber ich mag es eben, gemütlich und entspannt in den Tag zu starten.
09:30h - mal mehr, mal weniger schwungvoll hieve ich mich auf mein Fahrrad und trete meinen
              Arbeitsweg an, ... der ganze fünf Minuten dauert.
              Im Augenblick beschränkt sich meine Arbeit darauf, den Kindern am Vormittag das
              französische Alphabet und weitere Grundlagen der französischen Sprache
              beizubringen. Für beide Seiten eine sehr anstrengende Angelegenheit. Ihr könnt Euch
              sicher vorstellen, wie es in meinem Kopf nach dreieinhalb Stunden Wiederholung eines
              stumpfen A, B, C, D etc. Aufsagens aussieht.
              Glücklicherweise gibt es dann zwischen 12:00h und 12:30h immer ein super leckeres
              Mittagessen. Gegen 13:00h fahre ich nach Hause, um dort ein Mittagsschläfchen
              einzulegen, die Waschmaschine anzuschmeißen oder die Wohnung durchzufegen.
15:00h - erneut mache ich mich auf den Weg zu Bayti.
              Und dasselbe Spiel beginnt von vorne - Hausaufgabenbetreuung und Französischstunden.
              Wobei am Nachmittag gerne auch mal gespielt, gemalt uns gesungen wird.
              Zwischen 17:00h und 17:30h gehen die Kinder dann nach Hause und ich hab Feierabend.
Gestern war ich bedauernswerter Weise erst zum ersten Mal mit den Kindern am Strand Fußball spielen. Da das mal etwas Anderes war und auch sehr viel Spaß gemacht hat, denke ich, dass ich einen festen Fußballnachmittag organisieren werde. Zumal dieser eine willkommene Abwechslung sowohl für die Kinder, als auch für mich sein wird. Worauf ich mich schon sehr freue ist, dass ich in naher Zukunft mit den Kindern Freitags einen Surfkurs besuchen werde. Mit dem Fußball und dem Surfen wäre ein optimaler Ausgleich geschaffen, was bestimmt dazu führen würde, dass ich morgens dann auch schwungvoller auf mein Fahrrad steige.

Nun habt Ihr einen groben Einblick in meine momentane Arbeit bekommen und könnt Euch hoffentlich ein wenig besser vorstellen, was ich hier, im Norden Afrikas, den lieben langen Tag so treibe. Natürlich werde ich in Zukunft noch öfters von Bayti und den Kindern berichten, aber für den Moment soll's das erstmal gewesen sein.

Bis ganz bald und liebste Grüße,
Belize


...ich musste mich wohl  oder übel geschlagen geben.

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Aid el- Kebir

...Und Ibrahim sprach: "Seht, ich gehe zu meinem Herrn, Der mich rechtleiten wird.
Mein Herr, gewähre mir einen rechtschaffenen Sohn"
Dann gaben Wir ihm die frohe Botschaft von einem sanftmütigen Sohn.
Als dieser alt genug war, um mit ihm zu arbeiten, sagte Ibrahim: "O mein Sohn, ich sah im Traum, dass ich dich schlachte. Nun schau, was meinst du dazu?" Sein Sohn erwidertee: "O mein Vater, tu, wie dir befohlen wird; du sollst mich - so Allah will - unter den Geduldigen finden."
Als sie sich beide Allahs Willen ergeben hatten und Ibrahim seinen Sohn mit der Stirn auf den Boden niedergelegt hatte ,
da riefen Wir ihm zu: "O Ibrahim ,
du hast bereits das Traumgesicht erfüllt."
So belohnen Wir die, die Gutes tun.

Wahrlich, das ist offenkundig eine schwere Prüfung.
Und Wir lösten ihn durch ein großes Schlachttier aus.
Und Wir bewahrten seinen Namen unter den künftigen Geschlechtern.
Friede sei auf Ibrahim!
-Koran, Sure 37-

Das Opferfest Aid el- Kebir ist das höchste islamische Fest und wird zum Höhepunkt des Haddsch, welches die Wallfahrt nach Mekka ist, gefeiert. Aufgrund des islamischen Mondkalenders kann das Fest zur jeder Jahreszeit stattfinden. Dieses Jahr wurde es vom 5. Oktober bis zum 7. Oktober gefeiert.
Während Aid el- Kebir gedenkt man an den Propheten Ibrahim, welcher der Überlieferung nach, die göttliche Probe bestanden hatte, da er bereit war, seinen Sohn Ismael Allah zu opfern. Als Allah dieses Gottesvertrauen sah, gebot er ihm Einhalt und ersetzte Ismael durch einen Widder, den Ibrahim und sein Sohn daraufhin in voller Dankbarkeit opferten.

Alle gläubigen Muslime opfern zur Feier des Tages ein Tier, sofern sie es sich leisten können. Brauch ist es, das Fleisch an Arme und Hungrige zu verteilen und außerdem Familienmitgliedern und guten Freunden die besten Wünsche für die Festtage auszusprechen und auch mit ihnen das Fleisch zu teilen.
Am Morgen des Opferfest wird die Moschee besucht, um dort das gemeinsame Gebet dieses Festtages zu halten. Nach der Moschee, folgt oft noch ein Friedhofsbesuch, um seiner verstorbenen Verwandten und Freunden zu gedenken. Während des restlichen Tages wird die Verwandtschaft besucht, um dann gemeinsam in einer Runde diverse Gerichte und Getränke zu teilen.

Zu meiner großen Freude durfte ich dieses besondere Fest gleich mit zwei Familien verbringen.
Am Sonntag, den 5. Oktober, wurde ich morgens von einem Freund abgeholt. Wir sind zu ihm nach Hause gelaufen, wo ich herzlich von seiner Familie empfangen wurde. Nach einem sehr üppigen Frühstück, wurde es dann langsam ernst. Der Vater der Familie, die drei Kinder und ich machten uns auf den Weg, um das Ritual zu beginnen. Zu meiner großen Überraschung war dieser Weg allerdings gar nicht so lang, wie ich anfangs dachte. Unser Ziel war nämlich kein großer Platz, auf dem ein gemeinsames Opfern stattfinden würde (so hatte ich mir das eigentlich ausgemalt), nein, wir stiegen lediglich ein paar Stufen empor und ich fand mich auf der Dachterasse des Hauses wieder, wo auch schon das Schaf auf uns wartete. Dann ging alles ganz schnell; ehe ich mich versah, wurde dem Schaf auch schon vom Vater der Familie (es ist Tradition, dass der Mann der Familie diese Aufgabe übernimmt) die Halsschlagader aufgeschnitten. Ich glaubte bis dato, dass vor dem Opfern noch ein ausführliches Gebet erfolgt, aber das wurde wahrscheinlich schon am Morgen in der Mosche gehalten.
Nach dem Schnitt am Hals, wartet man, bis das Tier ausgeblutet hat. Um dies zu erreichen, ist es wichtig, dass man nicht den ganzen Kopf des Tieres vom Körper trennt. So bleiben die Nervenbahnen erhalten. Das ist deshalb wichtig, da so, das Gehirn dem restlichen Körper und den Organen die Information zuspielen kann, dass es nicht mehr optimal mit Blut versorgt wird. Was hat dies zur Folge? Alle Organe, insbesondere das Herz, tun alles dafür, dass Blut in das Gehirn gepumpt wird. Da aber der Hals offenliegt, stömt das Blut aus dem Körper und das Resultat ist ein blutleerer und von Schadstoffen gereinigter Körper. Anschließend wird das Tier gehäutet und ausgenommen.
Zu meiner großen Überraschung ging es mir über die komplette Prozedur hinweg gut. Ich empfand es als ganz normal und natürlich. Und als ich mich später am Tag und auch noch an den darauffolgenden Tagen mit dem Gesehenen und Erlebten auseinandergesetzt habe, bin ich zum Entschluss gekommen, das dieses Opfern um einiges humaner verläuft, als die Massenschlachtungen in den westlichen Ländern.
Den restlichen Tag über saß ich mit der Familie in gemütlicher Teerunde und wir haben uns, so weit es die Sprachkenntnisse auf beiden Seiten zugelassen haben, nett unterhalten. Ich habe von meinem Leben in Deutschand erzählt und sie haben mir nochmal den Hintergrund des Festes nahegelegt. Am Abend gab es schließlich ein herrliches Couscous. So ging also ein wunderbarer Tag im Kreise einer sehr liebenswerten Familie zu Ende.
Von der einen Familie ging es für mich, am Dienstag, gleich zur nächsten marokkanischen Familie.
Diesmal war ich meiner Nachbarin, bei welcher ich regemäßig einkaufe, zu Mittag eingeladen. Nach und nach sind dort immer mehr Menschen eingetrudelt, sodass am Ende ganze vier Familien und meine Wenigkeit vereint waren. Und dann wurde aufgetischt! Ganze vier Hauptspeisen wurden serviert, da jede Familie eine mitgebracht hatte. Aus meiner Einladung zum Mittagessen wurde also ein vierstündiges Festmahl, an dessen Ende ich erneut für den Abend eingeladen wurde. Nach einer zweistündigen Erholungsphase bei mir Zuhause, machte ich mich also noch einmal auf den Weg, um  für gute dreieinhalb Stunden zu dinieren. Erschöpft, aber glücklich bin ich dann gegen halb eins in der Nacht, mit meinem vollen Bauch, in mein Bett gefallen.

Das war also meine Erfahrung mit dem Opferfest Aid el- Kebir, woran ich mich wahrscheinlich immer erinnern werde. Ich hatte ein sehr spannendes, interessantes und schönes Wochenende. Im Kreise dieser zwei Familien habe ich mich sehr geborgen und umsorgt gefühlt, was wahrscheinlich daran liegt, dass dieses Fest für die Muslime wie unser Weihnachten ist. Die Familie kommt zusammen, es wird zusammen gegessen und die Atmosphäre ist sehr heiter und liebvoll. Ich bin überglücklich, dieses Fest mit Marokkanern verbracht zu haben; so habe ich wieder tiefer in die Kultur eintauchen können.
Ich hoffe, ich habe auch Euch Einblicke in das Fest geben können und zeigen können, dass viel mehr dazu gehört, als einfach nur ein Schaf zu opfern, und dass selbst dieses Opfern weniger schlimm ist, als man sich das immer vorstellt.

Dann also bis zum nächsten mal.
Liebe Grüße,

Belize



links: der Vater der Familie




Ich in traditioneller Djellaba und auf marokkanische Art und Weise Tee einschenkend